Der Abend des 9. November
Große Bühnenshow am Brandenburger Tor
Der Abend
Der Höhepunkt der Festivalwoche war der Abend des 9. November 2019 mit der Bühnenshow vor dem Brandenburger Tor – dem Symbol der Teilung, das vor 30 Jahren zum Sinnbild der Freiheit wurde, für die Hunderttausende ihre Stimmen erhoben. Mehr als 100.000 Menschen feierten vor Ort, Millionen verfolgten die Live-Übertragung vor dem Bildschirm. Die circa zweistündige Bühnenshow erzählte von einem Teil der deutschen Freiheitsgeschichte und wurde von engagierten Menschen von damals und heute gestaltet.
Als visuelles Highlight schwebte während der Bühnenshow im Himmel über den Köpfen der Besucher*innen die Kunstinstallation “Visions in Motion” mit 30.000 Hoffnungen und Wünschen von 30.000 Menschen. Auf die Botschaften wurde während der Show Bezug genommen.
Westbam leitete im Anschluss mit einer After-Show-Party in die Europäische Clubnacht ein, die in 27 Berliner und in 27 europäischen Clubs gefeiert wurde.
Ablauf
Vorprogramm
Banda Internationale
Ab 18:00 Uhr:
DIE SHOW
Moderation: Anna Loos und Jochen Breyer
Dirk Michaelis
Der Regierende Bürgermeister von Berlin
Michael Müller
Die Zöllner
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Marianne Birthler
Trettmann
Jutta Seidel und Michael Heinisch-Kirch
Zeitzeugen im Gespräch mit Peter Frey
Staatskapelle Berlin:
5. Sinfonie von Ludwig van Beethoven
unter der Leitung von Daniel Barenboim
„Heroes“ gesungen von Jennifer Kothe
Schauspiel „Friedliche Revolution“
Zugezogen Maskulin
Interaktive Tanzperformance
Anna Loos
Live-Schaltung „Deutschland feiert“
Laserharfenspielerinnen und Lasertanz-Choreografie
Westbam
Finale und Feuerwerk
20:15 Uhr
AFTER-SHOW
Westbam und No Shade präsentieren
Kikelomo & special guest S Ruston
with visuals by Bad Juju
Die Bühnenshow war eine crossmediale Inszenierung des Berliner Künstlernetzwerks phase7 performing.arts unter der Regie von Sven Sören Beyer im Auftrag von und in Zusammenarbeit mit Kulturprojekte Berlin sowie in Medienpartnerschaft mit dem ZDF.
Unentgeltlicher Eintritt zum Veranstaltungsgelände und der Veranstaltung selbst.
Die Musiker*innen im Überblick
Anna Loos
Anna Loos, eine der bekanntesten Schauspielerinnen und Sängerinnen aus der ehemaligen DDR, hat ihre ganz persönliche Fluchtgeschichte. Aufgewachsen in Brandenburg an der Havel, flüchtet die damals 17-Jährige 1988 über die Tschechoslowakei, Ungarn und Österreich aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland. Loos nahm schon als Mädchen Gesangsunterricht und spielte in verschiedenen Bands. 2005 wurde sie Nachfolgerin von Sängerin Tamara Danz bei der Ost-Berliner Band Silly, eine der bekanntesten Rockgruppen in der DDR. Im März 2019 erschien ihr Soloalbum „Werkzeugkasten“, aus dem sie am 9. November unter anderem die Songs „Mut von Helden“ und „Ich will dass du weißt „ singen wird.
Banda Internationale
Sozio-kulturelles Engagement war und ist die Grundlage der Kernformation „Banda Comunale“. Die aktive und verantwortungsvolle Teilhabe an dem, was in der Welt passiert, das Einstehen für Werte und Traditionen wie Weltoffenheit, Internationalisierung und Integration sowie ein entschiedenes Auftreten gegen rechte und neurechte Bestrebungen in Sachsen und Deutschland beschreiben die Grundfeste und Überzeugungen, die die „Banda Comunale“ seit dem Sommer 2015 nahezu zwangsläufig zur „Banda Internationale“ werden ließen.
Die Zöllner
Die Ost-Berliner Band um Sänger, Texter und Komponist Dirk Zöllner ist seit Mitte der 1980er-Jahre in unterschiedlichen Konstellationen Bestandteil der deutschen Musikszene. 1988 traten sie erstmals als Bigband in Erscheinung und spielten im Vorprogramm von James Brown vor 70.000 Menschen in Berlin Weißensee. Im selben Jahr entstand der Song „Viel zu weit“, welcher auch Teil der Bühnenshow sein wird. Mit souligen Balladen und funkig-jazzigen Bläsersätzen bereichern Die Zöllner bis heute die gesamtdeutsche Musiklandschaft.
Dirk Michaelis
Der in Chemnitz geborene Sänger und Komponist sang mit seiner Band Karussell mit „Als ich fortging“ einen der ikonischen Rocksongs der DDR, den er in seiner Jugend komponierte. Den ergreifenden Text dazu schrieb Gisela Steineckert. Im Sommer und Herbst 1989 avancierte das Lied mit Textzeilen wie „Nichts ist unendlich, so sieh das doch ein“ zur Hymne der Fluchtbewegung aus der DDR und nahm Bezug auf den Zerfall der DDR. Am 09.11.2019 wird Dirk Michaelis „Als ich fortging“ in einer Piano-Version darbieten.
Kikelomo
Kikelomo wurde in London geboren und lebt als DJ und Radiomoderatorin in Berlin. Sie engagiert sich für Diversität und Inklusion in der Musikindustrie. In ihren DJ-Sets finden sich Einflüsse wie Grime, Garage, Techno, Hip Hop, Rap und Funky House and Bass. Zuletzt eröffnete sie mit einem DJ-Set etwa das renommierte CTM Festival in der Panorama Bar des Berghains.
Sie tritt bei der After-Show auf und ist Teil der No Shade-Clubreihe und des DJ-Trainingprogramms für weibliche, trans und nicht-binäre DJs in Berlin.
S Ruston
S Ruston begann als DJ in der Musikszene im britischen Bristol vor über 15 Jahren und organisierte danach geheime Parties in London. Auch bei großen Festival wie Glastonbury und SXSW hat sie bereits aufgelegt. Seit 2010 lebt sie in Berlin, machte sich in der Hauptstadt einen Namen im queeren Nachtleben der Stadt, legt unter anderem als DJ im Club „Wilde Renate“ auf und engagiert sich in der weiblichen Musiker*innen und DJ-Szene.
Sie tritt bei der After-Show auf und ist Teil der No Shade Clubreihe und des DJ Trainingprogramms für weibliche, trans und nicht-binäre DJs in Berlin.
Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Daniel Barenboim
Mit der Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Daniel Barenboim stand am 9. November eines der renommiertesten Orchester weltweit auf der Bühne am Brandenburger Tor. Sie spielten die „Schicksalssinfonie“, eines der bekanntesten Werke der Wiener Klassik von Ludwig van Beethoven. Begleitend zur Musik wurde historisches Bild- und Filmmaterial gezeigt, in dessen Verlauf ein zeitgeschichtlicher Bogen gespannt wird: vom Bau der Mauer über die Zeit der Teilung Deutschlands bis hin zur Öffnung.
Trettmann
Im Song „Grauer Beton” verhandelt Trettmann, 1973 in Karl-Marx-Stadt geboren, seine Jugend im zweitgrößten Neubaugebiet der DDR. Der Titel ist eine Reflektion zwischen Liebe und Hass über seine verlorene Heimat in düsteren Schwarz-Weiß-Bildern. Trettmann erzählt darin von der Eintönigkeit, aber auch den Sehnsüchten, die er als DDR-Bürger erlebte. Reflektiert greift er in „Stolpersteine“ das gleichnamige Projekt des Künstlers Gunter Demnig auf, erinnert an die Opfer des Nationalsozialismus und schafft so einen Bezug zum Erstarken rechter Strömungen in ganz Europa.
Westbam
Westbam, bürgerlich Maximilian Lenz, ist einer der wichtigsten Techno-DJs und Elektro-Musiker Deutschlands und trug maßgeblich zum Erfolg der Loveparade teil. Er prägte die Berliner Techno- und Elektroszene Anfang der 1990er-Jahre und war Mitbegründer der Mayday, des größten Indoor-Raves Deutschlands, der erstmals am 14. Dezember 1991 in Berlin stattfand und den ehemaligen DDR-Radiosender DT64 unterstützte. Seine Musik war der Sound des wiedervereinigten Berlins in den wilden 1990er-Jahren, als unzählige Techno-Clubs entstanden und ist es bis heute geblieben.
Zugezogen Maskulin
Das Rapduo mit Wahlheimat Berlin wurde von grim104 und Testo im Jahr 2010 gegründet. Sie positionieren sich couragiert, direkt und intelligent zu den drängenden Problemen der Gegenwart wie Rassismus und Homophobie und kämpfen für einen menschlichen Umgang mit Geflüchteten, die nach Deutschland kommen. Im Rahmen des „Wir bleiben mehr“-Konzerts, das an das „Wir sind mehr“-Festival als Solidaritätsbekundung gegen rassistische Ausschreitungen in Chemnitz 2018 anknüpfte, gehörten sie zu den vielen Künstler*innen, die sich auch auf der Bühne gegen Rechtsradikalismus engagierten.
Performances
Schauspiel „Friedliche Revolution“
“Friedliche Revolution“ kreist um eine Gruppe von Suchenden im Wandel der Zeiten: Vom stürmischen Herbst über den Stillstand im Winter, dem Aufbruch im Frühling bis zum Sommer. Wer genau hinhört, wird entdecken, wie sich diese Selbstgespräche zu einer offenen Diskussion über die Hoffnung auf den Abbau von allen Mauern für alle Menschen weiten. Gustav Rueb inszeniert den Text von Patrick Schneider mit einem vielsprachigen zehnköpfigen Schauspielensemble aus Berlin.
Realtime-Technology-Tanz-Performance
Viele große Herausforderungen unserer Zeit können nur noch global gelöst werden. Um ein Leben in Freiheit und Frieden zu leben und unsere Umwelt zu schützen, geht es darum insbesondere darum, diesen Herausforderungen gemeinsam zu begegnen. phase7 reflektiert diesen Gedanken in emotionalen Bildern unter Verwendung eines Motion-Tracking-Systems, das Hochtechnology und zeitgenössischen Tanz verbindet. Der Videodome am Brandenburger Tor wird zur Weltkugel, die mit den Bewegungen der Tänzer interagiert.
Laserharfen Performance „Wir feiern – 30 Jahre Freiheit“
Laserharfe trifft elektronische Beats, choreografiertes Licht und expressiven Tanz. In der Laserharfen-Performance verbindet phase7 elektronische Beats, choreografiertes Licht und expressiven Tanz unter dem Motto „Alles ist vernetzt“. Zentrales Element des Showbilds bilden zwei Laserharfen, begleitet von einer Licht-Tanzchoreografie, die den gesamte Bühnenraum einnimmt und den Auftritt von Westbam einleitet, der mit seinem Song „Way up“ gemeinsam mit den Besucher*innen vor dem Brandenburger Tor 30 Jahre Friedliche Revolution feiert.
Bad Juju
Bad Juju wurde in Polen geboren und lebt als visuelle Künstlerin, Art Directorin und VJ in Berlin. Für deren Clubnächte schafft sie farbenfrohe 3D-Live-Visualisierungen wie zuletzt für den “No Shade”-Showcase als Teil der Ausstellung “No Photos on the Dancefloor” im C/O Berlin. Ihre Inspiration schöpft sie aus Videospielen, Virtual Reality und Comics.
Sie tritt bei der After-Show auf und ist Teil der No Shade-Clubreihe und des DJ-Trainingprogramms für weibliche, trans und nicht-binäre DJs in Berlin.
Zeitzeug*innen
Jutta Seidel
Seidel gehörte zu den Initiator*innen des Neuen Forums und beantragte mit Bärbel Bohley die offizielle Zulassung dieser Bürgerbewegung. Sie wurde 1950 in Brandenburg geboren, engagierte sich bereits ab 1982 gesellschaftlich und zwar als eine der Mitbegründerinnen des unabhängigen Netzwerkes „Frauen für den Frieden“. Ihre wichtige Rolle in der Friedlichen Revolution zeigt sich auch darin, dass sie die Protestdemonstration am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz, die größte Kundgebung in der Geschichte der DDR, mitinitiierte. Auch danach engagierte sich Seidel politisch und wirkte in der Arbeitsgruppe „Sicherheit“ des Zentralen Runden Tisches der DDR mit.
Michael Heinisch-Kirch
Heinisch-Kirch ist evangelischer Diakon und war als Bürgerrechtler in der DDR aktiv. 1964 in Frankfurt an der Oder geboren, engagierte sich Heinisch-Kirch seit 1980 in der DDR-Friedensbewegung. Zu dieser Zeit geriet er ins Visier der Stasi und machte erste Erfahrungen mit Repressionen. Seit 1987 wirkte er in verschiedenen Bürgergruppen in Ost-Berlin mit, unter anderem im Freundeskreis Wehrdiensttotalverweigerer. 1989 war er daran beteiligt, dass kirchliche Räume für Menschen, die den Schutzraum der Kirche benötigten, geöffnet wurden. Seit 1989 arbeitet er als Sozialdiakon im Kirchenkreis Berlin-Lichtenberg und setzt seitdem Projekte gemeinsam mit benachteiligten, meist jungen Menschen um. Seit 2004 ist er Mitglied der Partei Bündnis 90 / Die Grünen.
Der Regisseur und sein Team
Sven Sören Beyer
Sven Sören Beyer wuchs in Dresden auf und erhielt seine Ausbildung an der Palucca-Schule in Dresden sowie der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“. Seine crossmediale Ästhetik, die Faszination für technische Innovationen und ein interdisziplinärer Ansatz prägen von Beginn an die Inszenierungen von Beyer, die um den Schnittpunkt Mensch und Technologie und um die Interaktion von Realität und Virtualität kreist.
phase7
phase7 performing.arts ist ein Künstlernetzwerk mit Sitz in Berlin und wurde 1997 von Choreograph und Medienkünstler Sven Sören Beyer gegründet. In seinen künstlerischen Arbeiten verbindet phase7 die klassischen darstellenden Künste mit den neuesten medialen und technischen Möglichkeiten. In der Zusammenarbeit mit Software-Spezialist*innen, Medienkünstler*innen, Komponist*innen und Designer*innen entstanden unter anderem interaktive Medieninstallationen, Video-Tanz-Performances und digitale Opern. Die Arbeiten von phase7 waren bereits beim Hongkong New Visions Festival, beim Shanghai Arts Festival und bei den Festspillen i Bergen zu sehen. Die von phase7 realisierten Inszenierungen reichen von freien Kunstproduktionen bis hin zu großen Auftragsproduktionen mit tausenden von Zuschauern. So gehören beispielsweise die Eröffnungszeremonien der beiden Europäischen Kulturhauptstädte Umeå in Schweden 2014 und Plovdiv in Bulgarien 2019, sowie die Inszenierung des 25. Jährigen Jubiläums des Mauerfalls am Brandenburger Tor 2014 und das 25. Jubiläum des Tag der Deutschen Einheit 2015 in Frankfurt zu Auftragsproduktionen aus dem Bereich Kultur und Politik. Weitere Informationen unter phase7.
Hinweise
Regelungen für das Gelände
Aus Sicherheitsgründen waren auf dem Veranstaltungsgelände Taschen nur bis zu einer Größe von DIN A4 erlaubt. Es bestand keine Möglichkeit zur Aufbewahrung größerer Gepäckstücke oder sperriger Gegenstände. Weitere nützliche Hinweise finden Sie in unserer Veranstaltungsordnung.
Erste Hilfe
Auf dem Gelände waren Sanitäter im Einsatz. Das Info-Personal, Lagepläne und Hinweisschilder gaben darüber Auskunft.
Hinweis: Das Veranstaltungsgelände war aus Sicherheitsgründen videoüberwacht. Beim Eintritt auf das Gelände erfolgte die unwiderrufliche Einwilligung zur Nutzung der Daten zu Informations- und Dokumentationszwecken.